„Karl, da vorne wird es flach“, brummt Hinni Boomgarden und blinzelt in die Sonne.

„Ich falle ab. Gib’ mal ein bisschen Lose in die Vorschot!“ Er zieht die Pinne seines Jollenkreuzers zu sich heran und fiert gleichzeitig die Großschot um einige Zentimeter. Karl Eilers wartet einen Augenblick, bis der neue Kurs anliegt.

Dann plötzlich – genau in dem Moment als er das Vorsegel trimmen will, gibt es einen fürchterlichen und lauten Schlag. Das Boot ruckt, es macht eine tiefe Verbeugung und bleibt schlagartig stehen. Renate und Marion schreien erschreckt auf und purzeln auf den Cockpitboden.

„Wir sitzen auf“, erkennt Jan Janssen richtig. „Super gemacht, du hast den einzigen Stein im Großen Meer erwischt.”

 

Liebe LeserInnen,

diese Szene stammt aus einem der Krimis in denen ich mitmachen durfte. Vermutlich hat sie einige Leser verwirrt. Wie kam es, dass ausgerechnet ich dort plötzlich im Schlamm festsaß? Schlimm genug, das mir das passieren musste, schließlich bin ich ein erfahrener Segler und am Großen Meer aufgewachsen.

Großes Meer

Also, wenn wir Ostfriesen von dem Großen Meer sprechen, ist damit keineswegs das große Gewässer gemeint, das sich nördlich unserer Deiche befindet. Zur Klarstellung, dies ist die Nordsee, also immerhin eines der sieben Weltmeere.

Zu dem Begriff ‚Meer’ kann man bei Wikipedia folgendes lesen: „Das Meer ist eine zusammenhängende, reich gegliederte Wassermasse, die rund 71 % der Erdoberfläche bedeckt. 31,7 % des Weltmeeres sind 4000–5000 m tief. Die Meeresflora produziert ungefähr 70 % des in der Erdatmosphäre vorhandenen Sauerstoffs.“

Echt jetzt, auch wenn wir unser liebstes Segelrevier gerne einmal schönreden und es größer sehen als es ist, das trifft ja nun beim besten Willen nicht zu. Was also soll diese Aussage?

Es ist einfach so, dass im Niederdeutschen, ebenso wie im Niederländischen, die Wortbedeutungen von ‚Meer’ und ‚See’ vertauscht wurden: Die an Norddeutschland angrenzenden Meere heißen Nordsee und Ostsee, landeinwärts vor den Deichen liegen dagegen das Steinhuder Meer, das Zwischenahner Meer, das schon erwähnte Große Meer und der Dümmer (der Name bedeutet tiefes Meer). In den Niederlanden wurde die Zuiderzee nach ihrer Eindeichung logischerweise in IJsselmeer umbenannt.

In Ostfriesland haben wir jedoch nicht nur das Große Meer, sondern auch noch das Kleine Meer (von Insidern auch Hieve genannt), das Loppersumer Meer, das Ewige Meer, das Bans Meer und schließlich das Uphuser Meer. Diese Meere sind ein Überbleibsel der letzten Eiszeit. Sie wurden von Gletscherbrocken in den Boden gescharrt und sind ziemlich flach. Das ist ideal für manche Wassersportarten, nach einer Kenterung steht man bequem im brusthohen Wasser und richtet sein Boot in aller Ruhe wieder auf.

Das größte dieser Meere in Ostfriesland ist das Große Meer und damit wird nun endlich auch der Name verständlich. Es liegt zwischen Aurich und Emden und ist ein beliebter Platz für wassersporttreibende Menschen. Besonders Kajakfahrer, Surfer und Katamaransegler, die alle Boote ohne nennenswerten Tiefgang haben, fühlen sich hier wohl.

Für die Segler von Jollen oder Jollenkreuzer, so wie mich, wird jedoch immer mehr zum Problem. Unsere Schiffe benötigen ein mehr oder weniger tiefes Schwert zur Vermeidung der seitlichen Abdrift und da wird es mitunter eng unter dem Schiffsboden. Wenn dann noch ein Stein auf dem Grund liegt, kommt es schnell zu einer mehr oder heftigen Grundberührung – wie Sie gelesen haben, ist selbst mir das passiert.

Zum Glück haben Renate und ich mit der Hilfe von Marion, Karl und Jan meine Moi Wicht wieder ohne nennenswerte Schäden flott bekommen und es wurde noch ein aufregender Tag. Die Regatta jedoch, um die es in dem Buch eigentlich geht, wurde aber vor Greetsiel im Wattenmeer ausgetragen. Und dabei sind Dinge passiert, über die ich eigentlich nicht weiter sprechen möchte … Aber wenn Sie es unbedingt lesen wollte, bitte, das wurde alles aufgeschrieben: „Regatta mit Nebenwirkung“ aus der Reihe Sail & Crime.

Ihr wollt weiterlesen?

Hier könnt Ihr euch noch einen genauen Überblick verschaffen.

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